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Êëàññèêè â îðèãèíàëå - Die Verwandlung

ModernLib.Net / Èíîñòðàííûå ÿçûêè / Kafka Franz / Die Verwandlung - ×òåíèå (ñòð. 4)
Àâòîð: Kafka Franz
Æàíð: Èíîñòðàííûå ÿçûêè
Ñåðèÿ: Êëàññèêè â îðèãèíàëå

 

 


r gar nicht ge?ffnet worden. H?tte man doch dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos st?ren zu lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer t?glich zu reinigen! Einmal am fr?hen Morgen – ein heftiger Regen, vielleicht schon ein Zeichen des kommenden Fr?hjahrs, schlug an die Scheiben – war Gregor, als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig erbittert, da? er, wie zum Angriff, allerdings langsam und hinf?llig, sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu f?rchten, hob blo? einen in der N?he der T?r befindlichen Stuhl hoch einpor, und wie sie mit gro? ge?ffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund erst zu schlie?en, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors R?cken niederschlagen w?rde. »Also weiter geht es nicht?« fragte sie, als Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke zur?ck.
      Gregor a? nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zuf?llig an der vorbereiteten Speise vor?berkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer ?ber den Zustand seines Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Ver?nderungen des Zimmers s?hnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angew?hnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren – alle drei hatten Vollb?rte, wie Gregor einmal durch eine T?rspalte feststellte – waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Ziminer, sondern, da sie sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der K?che, bedacht. Unn?tzen oder gar schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. ?berdies hatten sie zum gr??ten Teil ihre eigenen Einrichtungsst?cke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge ?berfl?ssig geworden, die zwar nicht verk?uflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der K?che. Was nur im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah gl?cklicherweise meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen, tats?chlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten Wurf gekommen waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand und es in Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz zum Kriechen frei war, sp?ter aber mit wachsendem Vergn?gen, obwohl er nach solchen Wanderungen, zum Sterben m?de und traurig, wieder stundenlang sich nicht r?hrte.
      Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen Wohnzimmer einnahmen, blieb die Wohnzimmert?r an manchen Abenden geschlossen, aber Gregor verzichtete ganz leicht auf das ?ffnen der T?r, hatte er doch schon manche Abende, an denen sie ge?ffnet war, nicht ausgenutzt, sondern war, ohne da? es die Familie merkte, im dunkelsten Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die T?r zum Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch als die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie setzten sich oben an den Tisch, wo in fr?heren Zeiten der Vater, die Mutter und Gregor gegessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen Messer und Gabel in die Hand. Sofort erschien in der T?r die Mutter mit einer Sch?ssel Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer Sch?ssel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem Rauch. Die Zimmerherren beugten sich ?ber die vor sie hingestellten Sch?sseln, als wollten sie sie vor dem Essen pr?fen, und tats?chlich zerschnitt der, welcher in der Mitte sa? und den anderen zwei als Autorit?t zu gelten schien, ein St?ck Fleisch noch auf der Sch?ssel, offenbar um festzustellen, ob es m?rbe genug sei und ob es nicht etwa in die K?che zur?ckgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter und Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu l?cheln.
      Die Familie selbst a? in der K?che. Trotzdem kam der Vater, ehe er in die K?che ging, in dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die Zimmerherren erhoben sich s?mtlich und murmelten etwas in ihre B?rte. Als sie dann allein waren, a?en sie fast unter vollkommenem Stillschweigen. Sonderbar schien es Gregor, da? man aus allen mannigfachen Ger?uschen des Essens immer wieder ihre kauenden Z?hne heraush?rte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, da? man Z?hne brauche, um zu essen, und da? man auch mit den sch?nsten zahnlosen Kiefern nichts ausrichten k?nne. »Ich habe ja Appetit«, sagte sich Gregor sorgenvoll, »aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese Zimmerherren n?hren, und ich komme um!«
      Gerade an diesem Abend – Gregor erinnerte sich nicht, w?hrend der ganzen Zeit die Violine geh?rt zu haben – ert?nte sie von der K?che her. Die Zimmerherren hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben, und nun lasen sie zur?ckgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den Fu?spitzen zur Vorzimmert?r, in der sie aneinandergedr?ngt stehen blieben. Man mu?te sie von der K?che aus geh?rt haben, denn der Vater rief: »Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort eingestellt werden.« »Im Gegenteil«, sagte der mittlere der Herren, »m?chte das Fr?ulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer spielen, wo es doch viel bequemer und gem?tlicher ist?« »O bitte«, rief der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten ins Zimmer zur?ck und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter mit den Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die niemals fr?her Zimmer vermietet hatten und deshalb die H?flichkeit gegen die Zimmerherren ?bertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen; der Vater lehnte an der T?r, die rechte Hand zwischen zwei Kn?pfe des geschlossenen Livreerockes gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem Herrn einen Sessel angeboten und sa?, da sie den Sessel dort lie?, wohin ihn der Herr zuf?llig gestellt hatte, abseits in einem Winkel.
      Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von seiner Seite, aufmerksam die Bewegungen ihrer H?nde. Gregor hatte, von dem Spiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum dar?ber, da? er in letzter Zeit so wenig R?cksicht auf die andern nahm; fr?her war diese R?cksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei h?tte er gerade jetzt mehr Grund gehabt, sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in seinem Zimmer ?berall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war auch er ganz staubbedeckt; F?den, Haare, Speise?berreste schleppte er auf seinem R?cken und an den Seiten mit sich herum; seine Gleichg?ltigkeit gegen alles war viel zu gro?, als da? er sich, wie fr?her mehrmals w?hrend des Tages, auf den R?cken gelegt und am Teppich gescheuert h?tte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein St?ck auf dem makellosen Fu?boden des Wohnzimmers vorzur?cken.
      Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war g?nzlich vom Violinspiel in Anspruch genommen; die Zimmerherren dagegen, die zun?chst, die H?nde in den Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so da? sie alle in die Noten h?tten sehen k?nnen, was sicher die Schwester st?ren mu?te, zogen sich bald unter halblauten Gespr?chen mit gesenkten K?pfen zum Fenster zur?ck, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun wirklich den ?berdeutlichen Anschein, als w?ren sie in ihrer Annahme, ein sch?nes oder unterhaltendes Violinspiel zu h?ren, entt?uscht, h?tten die ganze Vorf?hrung satt und lie?en sich nur aus H?flichkeit noch in ihrer Ruhe st?ren. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund den Rauch ihrer Zigarren in die H?he bliesen, lie? auf gro?e Nervosit?t schlie?en. Und doch spielte die Schwester so sch?n. Ihr Gesicht war zur Seite geneigt, pr?fend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen. Gregor kroch noch ein St?ck vorw?rts und hielt den Kopf eng an den Boden, um m?glicherweise ihren Blicken begegnen zu k?nnen. War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff ? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch anzudeuten, sie m?ge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte; seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal n?tzlich werden; an allen T?ren seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen, das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, da? er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu schicken, und da? er dies, wenn nicht das Ungl?ck dazwischen gekommen w?re, vergangene Weihnachten – Weihnachten war doch wohl schon vor?ber? – allen gesagt h?tte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu k?mmern. Nach dieser Erkl?rung w?rde die Schwester in Tr?nen der R?hrung ausbrechen, und Gregor w?rde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals k?ssen, den sie, seitdem sie ins Gesch?ft ging, frei ohne Band oder Kragen trug.
      »Herr Samsa!« rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich vorw?rtsbewegenden Gregor. Die Violine verstummte, der mittlere Zimmerherr l?chelte erst einmal kopfsch?ttelnd seinen Freunden zu und sah dann wieder auf Gregor hin. Der Vater schien es f?r n?tiger zu halten, statt Gregor zu vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu beruhigen, trotzdem diese gar nicht aufgeregt waren und Gregor sie mehr als das Violinspiel zu unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte sie mit ausgebreiteten Armen in ihr Zimmer zu dr?ngen und gleichzeitig mit seinem K?rper ihnen den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden nun tats?chlich ein wenig b?se, man wu?te nicht mehr, ob ?ber das Benehmen des Vaters oder ?ber die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis, ohne es zu wissen, einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu haben. Sie verlangten vom Vater Erkl?rungen, hoben ihrerseits die Arme, zupften unruhig an ihren B?rten und wichen nur langsam gegen ihr Zimmer zur?ck. Inzwischen hatte die Schwester die Verlorenheit, in die sie nach dem pl?tzlich abgebrochenen Spiel verfallen war, ?berwunden, hatte sich, nachdem sie eine Zeit lang in den l?ssig h?ngenden H?nden Violine und Bogen gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen hatte, mit einem Male aufgerafft, hatte das Instrument auf den Scho? der Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig arbeitenden Lungen noch auf ihrem Sessel sa?, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem sich die Zimmerherren unter dem Dr?ngen des Vaters schon schneller n?herten. Man sah, wie unter den ge?bten H?nden der Schwester die Decken und Polster in den Betten in die H?he flogen und sich ordneten. Noch ehe die Herren das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem Aufbetten fertig und schl?pfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn derartig ergriffen, da? er jeden Respekt verga?, den er seinen Mietern immerhin schuldete. Er dr?ngte nur und dr?ngte, bis schon in der T?r des Zimmers der mittlere der Herren donnernd mit dem Fu? aufstampfte und dadurch den Vater zum Stehen brachte. »Ich erkl?re hiermit«, sagte er, hob die Hand und suchte mit den Blicken auch die Mutter und die Schwester, »da? ich mit R?cksicht auf die in dieser Wohnung und Familie herrschenden widerlichen Verh?ltnisse« – hierbei spie er kurz entschlossen auf den Boden – »mein Zimmer augenblicklich k?ndige. Ich werde nat?rlich auch f?r die Tage, die ich hier gewohnt habe, nicht das Geringste bezahlen, dagegen werde ich es mir noch ?berlegen, ob ich nicht mit irgendwelchen – glauben Sie mir – sehr leicht zu begr?ndenden Forderungen gegen Sie auftreten werde.« Er schwieg und sah gerade vor sich hin, als erwarte er etwas. Tats?chlich fielen sofort seine zwei Freunde mit den Worten ein: »Auch wir k?ndigen augenblicklich.« Darauf fa?te er die T?rklinke und schlo? mit einem Krach die T?r.
      Der Vater wankte mit tastenden H?nden zu seinem Sessel und lie? sich in ihn fallen; es sah aus, als strecke er sich zu seinem gew?hnlichen Abendschl?fchen, aber das starke Nicken seines wie haltlosen Kopfes zeigte, da? er ganz und gar nicht schlief. Gregor war die ganze Zeit still auf dem Platz gelegen, auf dem ihn die Zimmerherren ertappt hatten. Die Entt?uschung ?ber das Mi?lingen seines Planes, vielleicht aber auch die durch das viele Hungern verursachte Schw?che machten es ihm unm?glich, sich zu bewegen. Er f?rchtete mit einer gewissen Bestimmtheit schon f?r den n?chsten Augenblick einen allgemeinen ?ber ihn sich entladenden Zusammensturz und wartete. Nicht einmal die Violine schreckte ihn auf, die, unter den zitternden Fingern der Mutter hervor, ihr vom Scho?e fiel und einen hallenden Ton von sich gab.
      »Liebe Eltern«, sagte die Schwester und schlug zur Einleitung mit der Hand auf den Tisch, »so geht es nicht weiter. Wenn ihr das vielleicht nicht einsehet, ich sehe es ein. Ich will vor diesem Untier nicht den Namen meines Bruders aussprechen, und sage daher blo?: wir m?ssen versuchen, es loszuwerden. Wir haben das Menschenm?gliche versucht, es zu pflegen und zu dulden, ich glaube, es kann uns niemand den geringsten Vorwurf machen.« »Sie hat tausendmal Recht«, sagte der Vater f?r sich. Die Mutter, die noch immer nicht genug Atem finden konnte, fing in die vorgehaltene Hand mit einem irrsinnigen Ausdruck der Augen dumpf zu husten an.
      Die Schwester eilte zur Mutter und hielt ihr die Stirn. Der Vater schien durch die Worte der Schwester auf bestimmtere Gedanken gebracht zu sein, hatte sich aufrecht gesetzt, spielte mit seiner Dienerm?tze zwischen den Tellern, die noch vom Nachtmahl der Zimmerherren her auf dem Tische lagen, und sah bisweilen auf den stillen Gregor hin.
      »Wir m?ssen es loszuwerden suchen«, sagte die Schwester nun ausschlie?lich zum Vater, denn die Mutter h?rte in ihrem Husten nichts, »es bringt euch noch beide um, ich sehe es kommen. Wenn man schon so schwer arbeiten mu?, wie wir alle, kann man nicht noch zu Hause diese ewige Qu?lerei ertragen. Ich kann es auch nicht mehr.« Und sie brach so heftig in Weinen aus, da? ihre Tr?nen auf das Gesicht der Mutter niederflossen, von dem sie sie mit mechanischen Handbewegungen wischte.
      »Kind«, sagte der Vater mitleidig und mit auffallendem Verst?ndnis, »was sollen wir aber tun?«
      Die Schwester zuckte nur die Achseln zum Zeichen der Ratlosigkeit, die sie nun w?hrend des Weinens im Gegensatz zu ihrer fr?heren Sicherheit ergriffen hatte.
      »Wenn er uns verst?nde«, sagte der Vater halb fragend; die Schwester sch?ttelte aus dem Weinen heraus heftig die Hand zum Zeichen, da? daran nicht zu denken sei.
      »Wenn er uns verst?nde«, wiederholte der Vater und nahm durch Schlie?en der Augen die ?berzeugung der Schwester von der Unm?glichkeit dessen in sich auf, »dann w?re vielleicht ein ?bereinkommen mit ihm m?glich. Aber so – «
      »Weg mu? es«, rief die Schwester, »das ist das einzige Mittel, Vater. Du mu?t blo? den Gedanken loszuwerden suchen, da? es Gregor ist. Da? wir es solange geglaubt haben, das ist ja unser eigentliches Ungl?ck. Aber wie kann es denn Gregor sein? Wenn es Gregor w?re, er h?tte l?ngst eingesehen, da? ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier nicht m?glich ist, und w?re freiwillig fortgegangen. Wir h?tten dann keinen Bruder, aber k?nnten weiter leben und sein Andenken in Ehren halten. So aber verfolgt uns dieses Tier, vertreibt die Zimmerherren, will offenbar die ganze Wohnung einnehmen und uns auf der Gasse ?bernachten lassen. Sieh nur, Vater«, schrie sie pl?tzlich auf, »er f?ngt schon wieder an!« Und in einem f?r Gregor g?nzlich unverst?ndlichen Schrecken verlie? die Schwester sogar die Mutter, stie? sich f?rmlich von ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter opfern, als in Gregors N?he bleiben, und eilte hinter den Vater, der, lediglich durch ihr Benehmen erregt, auch aufstand und die Arme wie zum Schutze der Schwester vor ihr halb erhob.
      Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem und gar seiner Schwester Angst machen zu wollen. Er hatte blo? angefangen sich umzudrehen, um in sein Zimmer zur?ckzuwandern, und das nahm sich allerdings auffallend aus, da er infolge seines leidenden Zustandes bei den schwierigen Umdrehungen mit seinem Kopfe nachhelfen mu?te, den er hierbei viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und sah sich um. Seine gute Absicht schien erkannt worden zu sein; es war nur ein augenblicklicher Schrecken gewesen. Nun sahen ihn alle schweigend und traurig an. Die Mutter lag, die Beine ausgestreckt und aneinandergedr?ckt, in ihrem Sessel, die Augen fielen ihr vor Ermattung fast zu; der Vater und die Schwester sa?en nebeneinander, die Schwester hatte ihre Hand um des Vaters Hals gelegt.
      »Nun darf ich mich schon vielleicht umdrehen«, dachte Gregor und begann seine Arbeit wieder. Er konnte das Schnaufen der Anstrengung nicht unterdr?cken und mu?te auch hier und da ausruhen.
      Im ?brigen dr?ngte ihn auch niemand, es war alles ihm selbst ?berlassen. Als er die Umdrehung vollendet hatte, fing er sofort an, geradeaus zur?ckzuwandern. E staunte ?ber die gro?e Entfernung, die ihn von seinem Zimmer trennte, und begriff gar nicht, wie er bei seiner Schw?che vor kurze Zeit den gleichen Weg, fast ohne es zu merken, zur?ckgelegt hatte. Immerfort nur auf rasches Kriechen bedacht, achtete er kaum da auf, da? kein Wort, kein Ausruf seiner Familie ihn st?rte.
      Erst als er schon in der T?r war, wendete er den Kopf, nicht vollst?ndig, denn er f?hlte den Hals steif werden, immerhin sah er noch, da? sich hinter ihm nichts ver?ndert hatte, nur die Schwester war aufgestanden. Sein letzter Blick streifte die Mutter, die nun v?llig eingeschlafen war.
      Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die T?r eiligst zu gedr?ckt festgeriegelt und versperrt. ?ber den pl?tzlichen L?rm hinter sich erschrak Gregor so, da? ihm die Beinchen einknickten. Es war die Schwester, die sich so beeilt hatte. Aufrecht war sie schon da gestanden und hatte gewartet, leichtf??ig war sie dann vorw?rtsgesprungen, Gregor hatte sie gar nicht kommen h?ren, und ein »Endlich!« rief sie den Eltern zu, w?hrend sie den Schl?ssel im Schlo? umdrehte.
      »Und jetzt?« fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte bald die Entdeckung, da? er sich nun ?berhaupt nicht mehr r?hren konnte. Er wunderte sich dar?ber nicht, eher kam es ihm unnat?rlich vor, da? er sich bis jetzt tats?chlich mit diesen d?nnen Beinchen hatte fortbewegen k?nnen. Im ?brigen f?hlte er sich verh?ltnism??ig behaglich. Er hatte zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als w?rden sie allm?hlich schw?cher und schw?cher und w?rden schlie?lich ganz vergehen. Den verfaulten Apfel in seinem R?cken und die entz?ndete Umgebung, die ganz von weichem Staub bedeckt waren, sp?rte er schon kaum. An seine Familie dachte er mit R?hrung und Liebe zur?ck. Seine Meinung dar?ber, da? er verschwinden m?sse, war wom?glich noch entschiedener, als die seiner Schwester. In diesem Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens blieb er, bis die Turmuhr die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des allgemeinen Hellerwerdens drau?en vor dem Fenster erlebte er noch. Dann sank sein Kopf ohne seinen Willen g?nzlich nieder, und aus seinen N?stern str?mte sein letzter Atem schwach hervor.
      Als am fr?hen Morgen die Bedienerin kam – vor lauter Kraft und Eile schlug sie, wie oft man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden, alle T?ren derartig zu, da? in der ganzen Wohnung von ihrem Kommen an kein ruhiger Schlaf mehr m?glich war – , fand sie bei ihrem gew?hnlichen kurzen Besuch an Gregor zuerst nichts Besonderes. Sie dachte, er liege absichtlich so unbeweglich da und spiele den Beleidigten; sie traute ihm allen m?glichen Verstand zu. Weil sie zuf?llig den langen Besen in der Hand hielt, suchte sie mit ihm Gregor von der T?r aus zu kitzeln. Als sich auch da kein Erfolg zeigte, wurde sie ?rgerlich und stie? ein wenig in Gregor hinein, und erst als sie ihn ohne jeden Widerstand von seinem Platze geschoben hatte, wurde sie aufmerksam. Als sie bald den wahren Sachverhalt erkannte, machte sie gro?e Augen, pfiff vor sich hin, hielt sich aber nicht lange auf, sondern ri? die T?r des Schlafzimmers auf und rief mit lauter Stimme in das Dunkel hinein: »Sehen Sie nur mal an, es ist krepiert; da liegt es, ganz und gar krepiert!«
      Das Ehepaar Samsa sa? im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den Schrecken ?ber die Bedienerin zu verwinden, ehe es dazu kam, ihre Meldung aufzufassen. Dann aber stiegen Herr und Frau Samsa, jeder auf seiner Seite, eiligst aus dem Bett, Herr Samsa warf die Decke ?ber seine Schultern, Frau Samsa kam nur im Nachthemd hervor; so traten sie in Gregors Zimmer. Inzwischen hatte sich auch die T?r des Wohnzimmers ge?ffnet, in dem Grete seit dem Einzug der Zimmerherren schlief; sie war v?llig angezogen, als h?tte sie gar nicht geschlafen, auch ihr bleiches Gesicht schien das zu beweisen. »Tot?« sagte Frau Samsa und sah fragend zur Bedienerin auf, trotzdem sie doch alles selbst pr?fen und sogar ohne Pr?fung erkennen konnte. »Das will ich meinen«, sagte die Bedienerin und stie? zum Beweis Gregors Leiche mit dem Besen noch ein gro?es St?ck seitw?rts. Frau Samsa machte eine Bewegung, als wolle sie den Besen zur?ckhalten, tat es aber nicht. »Nun«, sagte Herr Samsa, »jetzt k?nnen wir Gott danken.« Er bekreuzte sich, und die drei Frauen folgten seinem Beispiel.
      Grete, die kein Auge von der Leiche wendete, sagte: »Seht nur, wie mager er war. Er hat ja auch schon so lange Zeit nichts gegessen. So wie die Speisen hereinkamen, sind sie wieder hinausgekommen.« Tats?chlich war Gregors K?rper vollst?ndig flach und trocken, man erkannte das eigentlich erst jetzt, da er nicht mehr von den Beinchen gehoben war und auch sonst nichts den Blick ablenkte.
      »Komm, Grete, auf ein Weilchen zu uns herein«, sagte Frau Samsa mit einem wehm?tigen L?cheln, und Grete ging, nicht ohne nach der Leiche zur?ckzusehen, hinter den Eltern in das Schlafzimmer. Die Bedienerin schlo? die T?r und ?ffnete g?nzlich das Fenster. Trotz des fr?hen Morgens war der frischen Luft schon etwas Lauigkeit beigemischt. Es war eben schon Ende M?rz.
      Aus ihrem Zimmer traten die drei Zimmerherren und sahen sich erstaunt nach ihrem Fr?hst?ck um; man hatte sie vergessen. »Wo ist das Fr?hst?ck?« fragte der mittlere der Herren m?rrisch die Bedienerin. Diese aber legte den Finger an den Mund und winkte dann hastig und schweigend den Herren zu, sie m?chten in Gregors Zimmer kommen. Sie kamen auch und standen dann, die H?nde in den Taschen ihrer etwas abgenutzten R?ckchen, in dem nun schon ganz hellen Zimmer um Gregors Leiche herum.
      Da ?ffnete sich die T?r des Schlafzimmers, und Herr Samsa erschien in seiner Livree an einem Arm seine Frau, am anderen seine Tochter. Alle waren ein wenig verweint; Grete dr?ckte bisweilen ihr Gesicht an den Arm des Vaters.
      »Verlassen Sie sofort meine Wohnung!« sagte Herr Samsa und zeigte auf die T?r, ohne die Frauen von sich zu lassen. »Wie meinen Sie das?« sagte der mittlere der Herren etwas best?rzt und l?chelte s??lich. Die zwei anderen hielten die H?nde auf dem R?cken und rieben sie ununterbrochen aneinander, wie in freudiger Erwartung eines gro?en Streites, der aber f?r sie g?nstig ausfallen mu?te. »Ich meine es genau so, wie ich es sage«, antwortete Herr Samsa und ging in einer Linie mit seinen zwei Begleiterinnen auf den Zimmerherrn zu. Dieser stand zuerst still da und sah zu Boden, als ob sich die Dinge in seinem Kopf zu einer neuen Ordnung zusammenstellten. »Dann gehen wir also«, sagte er dann und sah zu Herrn Samsa auf, als verlange er in einer pl?tzlich ihn ?berkommenden Demut sogar f?r diesen Entschlu? eine neue Genehmigung. Herr Samsa nickte ihm blo? mehrmals kurz mit gro?en Augen zu. Daraufhin ging der Herr tats?chlich sofort mit langen Schritten ins Vorzimmer; seine beiden Freunde hatten schon ein Weilchen lang mit ganz ruhigen H?nden aufgehorcht und h?pften ihm jetzt geradezu nach, wie in Angst, Herr Samsa k?nnte vor ihnen ins Vorzimmer eintreten und die Verbindung mit ihrem F?hrer st?ren. Im Vorzimmer nahmen alle drei die H?te vom Kleiderrechen, zogen ihre St?cke aus dem Stockbeh?lter, verbeugten sich stumm und verlie?en die Wohnung. In einem, wie sich zeigte, g?nzlich unbegr?ndeten Mi?trauen trat Herr Samsa mit den zwei Frauen auf den Vorplatz hinaus; an das Gel?nder gelehnt, sahen sie zu, wie die drei Herren zwar langsam, aber st?ndig die lange Treppe hinunterstiegen, in jedem Stockwerk in einer bestimmten Biegung des Treppenhauses verschwanden und nach ein paar Augenblicken wieder hervorkamen; je tiefer sie gelangten, desto mehr verlor sich das Interesse der Familie Samsa f?r sie, und als ihnen entgegen und dann hoch ?ber sie hinweg ein Fleischergeselle mit der Trage auf dem Kopf in stolzer Haltung heraufstieg, verlie? bald Herr Samsa mit den Frauen das Gel?nder, und alle kehrten, wie erleichtert, in ihre Wohnung zur?ck.
      Sie beschlossen, den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu verwenden; sie hatten diese Arbeitsunterbrechung nicht nur verdient, sie brauchten sie sogar unbedingt. Und so setzten sie sich zum Tisch und schrieben drei Entschuldigungsbriefe, Herr Samsa an seine Direktion, Frau Samsa an ihren Auftraggeber, und Grete an ihren Prinzipal. W?hrend des Schreibens kam die Bedienerin herein, um zu sagen, da? sie fortgehe, denn ihre Morgenarbeit war beendet. Die drei Schreibenden nickten zuerst blo?, ohne aufzuschauen, erst als die Bedienerin sich immer noch nicht entfernen wollte, sah man ?rgerlich auf. »Nun?« fragte Herr Samsa. Die Bedienerin stand l?chelnd in der T?r, als habe sie der Familie ein gro?es Gl?ck zu melden, werde es aber nur dann tun, wenn sie gr?ndlich ausgefragt werde. Die fast aufrechte kleine Strau?feder auf ihrem Hut, ?ber die sich Herr Samsa schon w?hrend ihrer ganzen Dienstzeit ?rgerte, schwankte leicht nach allen Richtungen. »Also was wollen Sie eigentlich?« fragte Frau Samsa, vor welcher die Bedienerin noch am meisten Respekt hatte. »Ja«, antwortete die Bedienerin und konnte vor freundlichem Lachen nicht gleich weiter reden, »also dar?ber, wie das Zeug von nebenan weggeschafft werden soll, m?ssen Sie sich keine Sorge machen. Es ist schon in Ordnung.« Frau Samsa und Grete beugten sich zu ihren Briefen nieder, als wollten sie weiterschreiben; Herr Samsa, welcher merkte, da? die Bedienerin nun alles ausf?hrlich zu beschreiben anfangen wollte, wehrte dies mit ausgestreckter Hand entschieden ab. Da sie aber nicht erz?hlen durfte, erinnerte sie sich an die gro?e Eile, die sie hatte, rief offenbar beleidigt: »Adjes allseits«, drehte sich wild um und verlie? unter f?rchterlichem T?rezuschlagen die Wohnung.
      »Abends wird sie entlassen«, sagte Herr Samsa, bekam aber weder von seiner Frau, noch von seiner Tochter eine Antwort, denn die Bedienerin schien ihre kaum gewonnene Ruhe wieder gest?rt zu haben. Sie erhoben sich, gingen zum Fenster und blieben dort, sich umschlungen haltend. Herr Samsa drehte sich in seinem Sessel nach ihnen um und beobachtete sie still ein Weilchen. Dann rief er: »Also kommt doch her. La?t schon endlich die alten Sachen. Und nehmt auch ein wenig R?cksicht auf mich.« Gleich folgten ihm die Frauen, eilten zu ihm, liebkosten ihn und beendeten rasch ihre Briefe.
      Dann verlie?en alle drei gemeinschaftlich die Wohnung, was sie schon seit Monaten nicht getan hatten, und fuhren mit der Elektrischen ins Freie vor die Stadt. Der Wagen, in dem sie allein sa?en, war ganz von warmer Sonne durchschienen. Sie besprachen, bequem auf ihren Sitzen zur?ckgelehnt, die Aussichten f?r die Zukunft, und es fand sich, da? diese bei n?herer Betrachtung durchaus nicht schlecht waren, denn aller drei Anstellungen waren, wor?ber sie einander eigentlich noch gar nicht ausgefragt hatten, ?beraus g?nstig und besonders f?r sp?ter vielversprechend. Die gr??te augenblickliche Besserung der Lage mu?te sich nat?rlich leicht durch einen Wohnungswechsel ergeben; sie wollten nun eine kleinere und billigere, aber besser gelegene und ?berhaupt praktischere Wohnung nehmen, als es die jetzige, noch von Gregor ausgesuchte war. W?hrend sie sich so unterhielten, fiel es Herrn und Frau Samsa im Anblick ihrer immer lebhafter werdenden Tochter fast gleichzeitig ein, wie sie in der letzten Zeit trotz aller Plage, die ihre Wangen bleich gemacht hatte, zu einem sch?nen und ?ppigen M?dchen aufgebl?ht war. Stiller werdend und fast unbewu?t durch Blicke sich verst?ndigend, dachten sie daran, da? es nun Zeit sein werde, auch einen braven Mann f?r sie zu suchen. Und es war ihnen wie eine Best?tigung ihrer neuen Tr?ume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen K?rper dehnte.
 

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